Solange die Menschheit existiert, gibt es schon den Generationenkonflikt. Die Jungen gegen die Alten und umgekehrt. Jede neue Generation hat es auch ein bisschen leichter, als die vorhergehende. Nicht nur, dass man sich auf dem ausruhen kann, was Mama und Papa sich in Jahrzehnten aufgebaut haben. Auch die Menschheit ist, seit die eigenen Eltern Jugendliche waren, einen großen Schritt vorwärtsgegangen. In meiner Jugend war eine Vereinbarung noch eine Vereinbarung. Man traf sich mal eben um Viertel nach irgendwann an der vorgegebenen Ecke. Kam der andere nicht, gab es zwei Möglichkeiten. Akzeptieren und alleine losziehen, oder den letzten Groschen aus der Hosentasche kramen und eine Telefonzelle gesucht. Dort dann einen Anruf am Festnetz des abgängigen Kumpels. In der Regel hat das aber funktioniert. Heute hat der junge Mensch jederzeit Zugriff auf rund 1,9 Milliarden Webseiten. Die Kommunikation erfolgt über eine bunte Mischung aus Messenger-Applikationen. Wer zu spät kommt, wird mal eben angeschrieben. Aber es ist nicht alles schlecht an der Generation nach uns. Da gibt es beispielsweise die Selfies. Das ist eine feine Sache.
Vater, Kind und was dazwischen
Nun, eine Generation ist nicht zwingend eine Generation. Es gibt die Gruppe von Menschen, die zur Welt kam, als wir noch zu jung waren, um Kinder in die Welt zu setzen. Auch diese Menschen hatten bereits völlig andere Voraussetzungen, um ins Leben zu starten, als wir. Anders als die Generation der eigenen Kinder, die heute erst das eigene Leben bereichern, wenn man den 29,8 Geburtstag feiert, ist die Generation dazwischen so etwa 15 Jahre jünger, als man selbst und damit durchaus nicht zu jung für eine gute Freundschaft. Trotzdem liegen Welten dazwischen, wie man beispielsweise sein Smartphone einsetzt.
Smileysuchtrupp
Das beginnt mit der Form der Texte. Es ist weniger das geschriebene Wort, das einem übermittelt wird, mit dem man am Anfang seine Probleme hat. Es sind die lustigen bunten Emojis, die Emotionen ausdrücken. Statt „He, das war lustig“ reicht es, einen Tränen lachenden kleinen gelben Kugelkopf zu versenden. Ist man skeptisch, nachdenklich, verliebt, weinerlich, besoffen, oder hat sonst einen Aggregatzustand, der sich in Worten nur umständlich – also mit zwei, oder mehr Worten – beschreiben lassen würde, greift man zum Smiley. Das geht der halben Generation später deutlich leichter von der Hand. Ich verbringe damit an guten Tagen durchaus Stunden.
Flexibel ist das neue stabil
Die gelben Idioten haben den ganzen Tag über nichts anderes zu tun, als sich neu anzuordnen! Gut, wenn man 24 Stunden lang stabil verliebt, weinerlich, oder besoffen ist. Da muss man dann immer, wenn man das einem Mitmenschen wortlos mitteilen will, nur in den zuletzt verwendeten Emojis auf die Nummer 1 links oben klicken. Was aber, wenn man keine manische Phase durchlebt, die erste Verliebtheit abebbt und man auch mal nüchtern ist? Dann hat man es schwer und der Finger kreist suchend über den Bildschirm. Generell kann man an den flexiblen Alleskönnern eine Sache kritisieren: Nichts bleibt auf seinem Platz. Ständig verändert sich am Smartphone der Bildschirm und ständig muss man sehen, wohin man klicken muss. Früher – ja und diesmal stimmt es wirklich – war das besser! Da gab es eine Tastatur und das „s“ war stabil zwischen „a“ und „d“ verlötet und auch in der Finsternis, oder unter der Schulbank leicht zu finden.
Positiv denken
Gut, man muss positiv denken. Die permanente Auseinandersetzung mit bewegten Icons und Tastaturlayouts in unterschiedlichen Apps hat ja auch ihre guten Seiten. Solange man jeden Tag zwölfmal lernt, wo der verdammte Tröten-Smiley, oder der Facepalmer sich wieder versteckt, baut man auch regelmäßig neue Synapsenverbindungen auf. Eine tolle Sache und natürlich ein hervorragendes Training für das langsam verkalkende Gehirn. Aber ich verliere mich in Nebensächlichkeiten und sollte langsam auf den Punkt kommen. Der Titel lässt es bereits erahnen um was es geht. Es ist der Vollbart auf dem Selfie, den ich heute in den Mittelpunkt stellen möchte.
Selfie
Ein Selfie ist eine narzisstische Form der Smartphonenutzung. Statt interessante Architektur, schöne Landschaften, atemberaubende Sonnenauf- und untergänge, oder sonst schöne Dinge zu fotografieren, ist das Mobiltelefon heute standardmäßig mit einer Selfielinse ausgestattet. Den Vorgang hat sicher jeder von Euch schon einmal miterlebt, oder sogar selbst durchgeführt. Man hält das Handy immer im exakt selben Winkel relativ zum Schädel. Danach setzt man das immer gleiche Gesicht auf, fixiert das Smartphone und betätigt den Auslöser. Das Ergebnis ist ein relativ statisches Bildnis des eigenen Gesichts vor wechselndem Hintergrund. Zu diesem Hintergrund zählen häufig auch andere Menschen, die dann ihrerseits dasselbe Gesicht aufsetzen wie immer, den Schädel entsprechend ausrichten und sich dann von ihrer, in tausenden von Selfies mühsam ausgeforschten, fotogensten Seite zeigen.
Gruppenbilder
Den Selfieprofi, oder die Selfieprofessionelle erkennt man also auf den ersten Blick. Funfact dazu ist übrigens, dass Selfies offensichtlich eine ernstzunehmende Ursache für die Übertragung von Kopfläusen sind. Abgesehen davon schaden die Bildchen niemanden. Es kann aber vorkommen, dass man selbst zum Smartphone greift, um ein nettes Treffen zu dokumentieren, oder das Bildchen zu schicken. Verbringt man Zeit mit jener Zwischengeneration, dann wird man oft in ein Selfie integriert. Somit wäre die Einleitung beendet und wir sind wirklich beim Thema angekommen. Man sitzt in einer netten Runde von zwei, oder mehr Personen zusammen und einer der Anwesenden reißt plötzlich sein Smartphone hoch und fertigt ein Selfie an. Man selbst hat mehr, oder weniger Selfieroutine, wird schlimmstenfalls kalt erwischt und schaut einfach ganz normal in die kleine Kamera.
Posieren
Das klassische Posieren ist in erster Linie eine Domäne der Frau. Grund dafür sind die Blickwinkel, die das Gegenteil von Schokoladeseiten sind. Da werden die Beine überkreuzt, eine Hand unauffällig vor Problemzonen postiert und die Schultern durchgedrückt. Der Kopf wird leicht zur Seite gedreht und etwas angehoben. Damit wird der Körper nicht frontal abgebildet und die unauffällige Hand deckt große Teile ab. Das angehobene Kinn strafft die Haut und vereinzelt ein vorhandes Doppel- und Dreifachkinn. Das Haar wird sorgfältig über Hautunreinheiten und Narben gelegt und ein Lächeln aufgesetzt, bei dem nur der Teil der Zähne zu sehen ist, der dem Schönheitsideal der Dame entspricht.
Vollbart posieren
Als Mann, speziell mit Vollbart, hat man es leichter. Man orientiert sich kurz im Raum, ermittelt die Position der Kameralinse und richtet sich auf sie aus. Dann setzt man das Gesicht auf, dass der Laune und der Situation entspricht und wartet, bis die Dame bereit ist. Auf dem fertigen Bild gibt es dann eine große Überraschung. Mit minimalem Aufwand – im Prinzip hat man ja nur in die Kamera geblickt – sieht man als Bartträger deutlich besser aus, als die Dame, die routiniert jeden Körperteil millimetergenau ausgerichtet hat, um ihrem Idealbild möglichst nahezukommen. Dieser Effekt lässt sich sehr einfach erklären. Es ist nicht etwa ein kompliziertes Zusammentreffen seltener Planetenkonstellationen, der Lichteinstrahlung und physikalischer Effekte, die im Zusammenspiel Linse, Sensor und Vollbart zum Tragen kommen. Es ist viel einfacher.
Einfache Erklärung
Warum also sieht der Mann mit Vollbart auf dem Selfie so verdammt gut aus? Ich wäre jetzt versucht so etwas, wie „Die Antwort auf diese Frage verraten wir im nächsten Beitrag. Schau unbedingt wieder vorbei.“, aber Anbetracht der Tatsache, dass ich seit Monaten keine Zeit gefunden habe, einen Beitrag zu verfassen, wäre das unfair. Die Antwort steckt direkt in der Frage. Man muss lediglich den Teil mit dem Selfie weglassen. Warum also sieht der Mann mit Vollbart so verdammt gut aus? Lässt man jetzt den Vollbart auch noch weg und setzt ihn auf die Seite der Antwort, hat man auch schon das Ergebnis:
Warum sieht der Mann so verdammt gut aus?
Wegen des Vollbart!
Arme Frauen
Es tut mir leid, all die Frauen zu enttäuschen, die bis hierher mitgelesen habe, um das Geheimnis zu erfahren und es in zukünftigen Selbstporträts umzusetzen. Frauen kann ich an dieser Stelle nur empfehlen, mit vorhandenem Material zu arbeiten. Eine hübsche Frisur, dezenter Schmuck, vielleicht ein stilvolles Nasenpiercing und ein sympathisch authentischer Gesichtsausdruck reichen wahrscheinlich schon aus, einen guten Effekt zu erzielen. Von falschen Bärten kann ich nur abraten. Authentizität ist der Schlüssel zum perfekten Selfie.
Der Vollbart sieht gut aus
Die Antwort wird all jene, die sich mit Fotografie auseinandersetzen, wenig überraschen. Im Prinzip ist ein Foto nichts anderes, als das Abbild der Realität. Das Selfie ist dabei keine Ausnahme. Das Licht, das auf uns fällt, wird reflektiert und wieder ausgesendet. Es trifft dann beispielsweise auf die Linse der Smartphonekamera, wird dort gebrochen und erzeugt ein Abbild von uns auf dem Sensor der Kamera. Der wiederum digitalisiert, was er sieht und speichert es auf dem Handy ab. Genau dasselbe passiert im menschlichen Auge. Licht fällt ein, wird gebrochen und erzeugt ein Abbild auf der Netzhaut. Wer also gut aussieht, sieht auch auf dem Selfie gut aus.
Vollbart und Gesichtsbehaarung
Allerdings muss an dieser Stelle auch darauf hingewiesen werden, dass ein Vollbart eine gewissenhafte Pflege voraussetzt. Konturen müssen sauber rasiert werden. Er muss entsprechend gekürzt werden, um eine schöne Form aufzuweisen. Die Pflege des Barthaars und der darunter liegenden Gesichtshaut leisten ebenfalls einen wichtigen Beitrag zum guten Aussehen des Bartträgers. Der Vollbart sorgt, gute Pflege vorausgesetzt, für ein makkelloses Erscheinungsbild und gereicht seinem Träger zum optischen Vorteil. Im krassen Gegensatz dazu steht die ungepflegte Gesichtsbehaarung. Einfach mal wachsen lassen, mag in der Pornoindustrie der 1970er-Jahre ein Erfolgsrezept gewesen sein. Geht es um einen Vollbart, darf man sich nicht an diesen verstörenden Bildern orientieren.
Du hast es in der Hand
Wie auch immer man zu Körperbehaarung steht, private Körperregionen darf man getrost auch nach eigenem Geschmack ausgestalten. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass man diese überwachsenen Regionen in der Öffentlichkeit mit einer gesellschaftlich akzeptierten Form von Stoff verhüllt. Anders sieht das im Gesicht aus. Auch hier hat die Natur den Mann mit Haarwuchs gesegnet, der allerdings, lässt man ihm freie Hand, durchaus zum Wuchern neigt. Die männliche Gesichtsbehaarung ist wie ein Rohdiamant, den man täglich pflegen und regelmäßig, vorzugsweise von professioneller Hand, in Form bringen lässt. Dann erreicht man mit minimalem Aufwand, auf jedem Fotosensor genauso gut auszusehen, wie auf den Netzhäuten der Mitmenschen. Und zum Schluss noch ein kleiner Tipp an die Leserinnen, die bis hierher gelesen haben. Stell Dich das nächste Mal neben einen Bartträger beim Selfie. Der Vollbart wertet das Foto auf und auch Du wirst vom der ansehnlichen Gesellschaft verzückt, besser aussehen.