Der Bart des Mannes verkörpert gekonnt eine lange Liste an positiven Attributen. Neben den rein optischen Vorteilen, die der gepflegte Vollbart mit sich bringt, löst er auch tiefenpsychologisch allerhand beim Gegenüber aus. Das wussten auch gekrönte Häupter, Könige und Kaiser und haben diese bärtigen Eigenschaften für ihren Vorteil zu nutzen gewusst!
Respekt!
Die Eigenschaft um die es den Herrschern dabei wohl gegangen ist, ist der natürliche Respekt, den ein Bart beim Betrachter auslöst. Neben allerhand Insignien, wie Kronen, oder glänzenden Girlanden am Revers, schmückt der Bart den Monarchen und verleiht ihm zusätzlich ein eindrucksvolles Äußeres. Wer also beeindrucken möchte, der lässt sich einen Bart stehen. Ich hab mir das mal am Beispiel europäischer Herrscher und da wieder vor allem bei den Deutschen angesehen.
Berühmte Bärte
Recherchiert man, wie so ein Deutscher Kaiser ausgesehen hat, dann lernt man rasch, dass Kaiser eine recht seltene Spezies in Deutschland ist. Ganze drei hat die Geschichte hervorgebracht und alle Drei wären heute sicher gern gesehene Kunden in einem Barbershop. Der unverwechselbare Bartstyle der Kaiser ist mir daher einen eigenen Artikel wert!
Kaiser Wilhelm
Hat man im Geschichtsuntericht aufgepasst, dann reduziert sich die Anzahl der Kaiser noch einmal um satte 33%. Friedrich III hat seinen Amtsantritt 1888 lediglich 99 Tage überlebt. Aber starten wir mal am Anfang. 1870 beschlossen die deutschen Fürsten, allen voran Ludwig II von Bayern, seines Zeichens zuletzt Träger eines sehensweren Moustache und auch schon mal mit Vollbart portraitiert, den preußischen König darum zu bitten, den Kaisertitel anzunehmen. Kein Problem für Wilhelm I, also war er ab 1871 deutscher Kaiser. Auf allen Abbildungen von Kaiser Wilhelm I, sticht der gepflegte Bart sofort ins Auge. Ein sauber gebürsteter Moustache, der alleine schon, mit seinen sauber geformten Enden, genug beeindrucken würde. Damit das Ganze aber kaiserliche Ausmaße annimmt, hat Wilhelm seine Bartpracht auch noch mit einem üppigen Backenbart ergänzt.
südwestliche Zeit- und Standesgenossen
Etwas südlicher, in Wien, saß ein anderer Monarch, der mit einem ganz ähnlichen Bartstyle zu beeindrucken wusste. Kaiser Franz Joseph I prägte mit seinem Bartstyle die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts und noch heute weiß jeder, was ein Franz-Joseph-Bart ist. In Frankreich wurde der Bartlose Ludwig XVI noch am Ende des 18. Jahrhunderts im Zuge der Französischen Revolution hingerichtet und in England herrschte seit 1901 Edward VII mit seinem Vollbart und in Spanien, seit 1886 Alfons XIII mit gepflegtem Schnauzer. Am Ende des 19. Jahrhunderts war also der Vollbart bei König und Kaiser angenehme Pflicht und wer etwas auf sich hielt, überzeugte mit Bart.
Friedrich III
Nachdem Wilhelm I 1888 star, folgte ihm sein Sohn, Friedrich III nach. Als er, nach kurzen 99 Tagen als Kaiser verstarb, übernahm Wilhelm II. War Wilhelm I der Inbegriff des kaiserlichen Backenbarts und Friedrich III stolzer Träge eines gepflegten Vollbart, so prägte Wilhelm II die kultivierte Oberlippenbehaarung. Er ist der Namenspatron des Kaiser-Wilhembarts. Sein Schnauzer, geprägt durch die gezwirbelten Enden, ist der Inbegriff, des Zwirbelbart. Nach außen gekämmt und an den Enden hochgezwirbelt, ist so ein Bart auch heute noch eine Zierde für das männliche Gesicht. Glaubt man der Geschichte, dann hat Wilhelm II die Bartpflege auch sehr ernst genommen. Eine Bartbinde war Pflicht (siehe dazu meinen Beitrag Ein Schnauzer wie Hercule) und sein Hoffriseur hat eine eigene Barttinktur entwickelt. Der Bart war zu diese Zeit oft auch ein Zeichen der politischen Gesinnung. Die Zeiten sind aber vorbei und wer sich heute ein Bärtchen stehen lässt, der tut dies nicht aufgrund seiner politischen, sondern seiner rein männlichen Überzeugung. Die Vorteile liegen auf der Hand und es besteht keine Gefahr mit seinem gepflegten Bart in eine Schublade gesteckt zu werden.
oben wie unten – Bart
Auch wenn Wilhelm II seinen Zwirbelbart mit glatt rasiertem Kinn trug, heißt das auch nicht, dass sich dieser und der prächtige Vollbart ausschließen. Der Moustache ist im Kommen und die Oberlippe verdient Aufmerksamkeit. Wer Motivation braucht, der kann gerne mal meinen Artikel Plädoyer für den Schnauzer lesen und sich ein paar Argumente holen. Während man aber seine Aufmerksamkeit der Oberlippe schenkt, darf man das Kinn nicht vernachlässigen. Der Bart als Gesamtkunstwerk braucht eine erkennbare Linie und soll einen stimmigen Gesamteindruck vermitteln. Gerne darf man von Wilhelm und seinem Hoffriseur den Hang zur Bartpflege und das sorgfältige Zwirbeln der Schnurrbartenden übernehmen um sein eigenes Erscheinungsbild zu adeln und auch einmal in der Oberliga der creme de la creme mitmischen zu dürfen.
Pulli einpacken und los
Wer heute mal einen bärtigen Thronfolger sehen will, der muss nach Norwegen fahren. Passend zum kühlen Klima trägt Haakon von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg einen sehr gepflegten, wenn auch kurzen Vollbart. Auch in Spanien regiert Felipe Juan Pablo Alfonso de Todos los Santos de Borbón y Grecia, oder kurz Felipe VI mit kurzgeschorenem Vollbart. In vielen anderen Ländern findet sich auch heute noch da und dort ein gepflegter Bart und bestätigt eindrucksvoll, dass der Bart tatsächlich in allen gesellschaftlichen Schichten seine Berechtigung hat!
beard man – real man
Du sagst es!