Es gab eine Zeit da ist man im Barberchair nicht gelegen, nachdem die Haare geschnitten waren. Man saß auf einem Kissen, oder einer anderen Stuhlerhöhung und mangels eines Bartes wurde nur das Haupthaar bearbeitet. Jungen Frisuren sind heute vielleicht noch bei den Söhnen ein Thema, aber einmal am Barberchair und unter den Händen des Meisters, gibt es ganz andere Prioritäten.
Wie schneiden wir heute?
Die Frage nach den Wünschen gehört auch bei Stammkunden zum guten Ton beim Barber. Es könnte ja sein, dass sich da mal etwas verändert in den Vorlieben, das Haupthaar etwas länger getragen werden will, oder sonst eine Typveränderung initiiert werden will. Warum nicht, also fragt der brave Barbier vor der Arbeit nach neuen Herausforderungen. Beim Bartträger kann man dann immer wieder ein ähnliches Muster beobachten. Die Prioritäten sind absolut klar und was im Vordergrund steht ist keine Frage.
Der wortkarge Mann
Die Natur hat uns Männer mit einem geringeren Wortschatz ausgestattet, als die Frauen. Außerdem ist unsere Zunge so konstruiert, dass sie auch nach minuten-, stunden-, oder tagelangem Schweigen problemlos anspringt und funktioniert. Bei den Frauen ist regelmäßige Bewegung offensichtlich Pflicht. Während wir dasitzen und ins Feuer starren erzählen die Frauen in hoher Detaillierung, wie der Tag verlaufen ist. Beim Barber ist das Bild fast ähnlich. Ein kurzer Gruß, ein wenig Plaudern, aber bei weitem nicht das, was im Damensalon passiert.
Anweisungen für den Meister
Als Mann weniger Worte sind wir entworfen und auch beim Barber versteht man sich, ohne viel darüber zu reden. Eine Sache ist allerdings auffällig. Die Eröffnungsfrage des Barbers wird in zwei Etappen beantwortet. Kurz, knapp und ohne große Gesten wird die Traumfrisur beschrieben. Ein einfaches „wie immer“, oder eine kurze Aufzählung, wo kurz, wo lang, wo weg und wo garnicht geschnitten werden soll, samt Verläufen lässt sich meist in einem, maximal zwei Sätzen unterbringen. Soweit so gut, danach passiert aber durchaus etwas fast schon unmännliches.
Hier kommt der Bart
Fehlt der Bart, dann sind Jungen Frisuren natürlich das einzige Thema, über das der milchgesichtige Kunde mit dem Barbier verhandeln kann. Wächst im Gesicht ein Vollbart, dann folgt auf die kurze und klare Anweisung zur Gestaltung des Haupthaars ein fast schon epischer Monolog zur Gestaltung des Bartes. Geprägt von Ermahnungen, wie „nicht zu kurz“, oder „nur ein wenig“ werden, untermalt von eindeutigen Gesten mehrmals wiederholt. Welche Form soll der Bart bekommen, welche Länge an den Seiten und am Kinn. Wie wird der Moustache ausgestaltet und wo will man die Konturen verlaufen lassen.
keine Jungen Frisuren
Als kleiner Junge und als Jugendlicher ohne ausgeprägtem Bartwuchs sind Jungen Frisuren, die man sich alle paar Wochen beim Friseur verpassen lässt, das Wichtigste. Das eigene Aussehen wird davon geprägt und ein guter Friseur kann durchaus eine optische Aufwertung erreichen. Natürlich ist immer auch das Ausgangsmaterial ausschlaggebend, aber die grundsätzliche Verbesserung des Gesamteindrucks kann man mit gepflegten Jungen Frisuren erreichen. Als Bartträger hat man das aber nicht mehr nötig.
Oben pfui
Dass uns das Haupthaar tendenziell weniger wichtig ist, als der Bart, hat zwei Ursachen. Das Testosteron, das den Bartwuchs fördert endet in einem Abbauprodukt, das den Haarwurzeln in der Kopfhaut nicht gut tut. Die Folge ist der langsame Verlust der Behaarung dieser Körperregion. Die Frisur hat also eine absehbare Haltbarkeit. Besser man konzentriert sich auf das was Bestand hat. Das ist der Bart. Auch ist es in einem Barbershop üblich eine Vintage-Frisur zu schneiden. Klassische Haarschnitte, die eher wenig Spielraum geben. Hat man sich für einen entschieden, wird immer nur etwas nachgeschnitten. Beim Bart sieht das anders aus.
Voraussehbarer Blickfang
Der Bart bietet uns Unmengen an gestalterischen Möglichkeiten. Die Form entscheidet über die Wirkung unseres Gesichts und eine Veränderung der Länge kann unser Aussehen maßgeblich verändern. Dass der Bart wichtiger genommen wird, als die Frisur hat aber auch einen praktischen Grund. Der wichtigste Kontrollblick beim Barber ist der, bei dem er uns den Spiegel hinter den Kopf hält und wir uns unseren Hinterkopf ansehen können. Diese bartlose Seite des Kopfes ist mitunter Blicken ausgesetzt. Die vordere Hälfte bis etwas hinter die Ohren bleibt den meisten Betrachtern aber verborgen. Der Vollbart sorgt dafür, dass kaum jemand seinen Blick höher, als bis zu unserer Nase hebt.
Priorität 1
Dass der Bart für einen Bartträger wichtiger ist, als das Haupthaar ist völlig natürlich. Die Gelegenheit uns mit Jungen Frisuren auseinanderzusetzen haben wir nur dann, wenn wir einen Sohn haben, mit dem wir zum Friseur, oder noch besser, zum Barber gehen. Jungen Frisuren sind ein wichtiger Stylefaktor für die Jungen. Wir haben diese Phase erfolgreich hinter uns gelassen. Was auch immer am Kopf passiert ist zwar nicht egal, aber genießt nur die zweithöchste Priorität. Beim Barber muss man sich auch keine Gedanken machen. Wer die hohe Kunst des Bartschneidens beherrscht, für den ist ein klassischer Haarschnitt eine Aufwärmübung. Und genauso wird das auch beim Barber gemacht.
Das Beste zum Schluss
Der Haarschnitt ist für den Bartträger fast nur eine Formsache. Ein Präludium zu dem, was danach kommt. Es ist die Ouvertüre zum Höhepunkt des Besuchs beim Barber. Bartlose erheben sich nach dem Zurechtrücken der Jungen Frisuren, zahlen und verlassen den Barbershop. Der Bartträger kommt in den Genuß des Bartschnitts. Der Stuhl wird gekippt, Kompressen werden aufgelegt, Rasierschaum aufgetragen und der Bart wieder sauber geformt. Eine schöne Zeit, die man nicht nur wegen der herumfliegenden Haarespitzen mit geschlossenen Augen verbringt. Ein würdiges Finale jedes Besuchs beim Barbershop und ein weiterer Grund, sich sofort einen Bart wachsen zu lassen, wenn man noch keinen trägt!