Früher war alles besser. Das stimmt nicht in allen Lebensbereichen, aber beim Rasieren ist es eine Tatsache. Während früher die Väter den Söhnen noch das Ritual der Messerrasur beigebracht haben, so bekommen die Söhne heute meist einen Trockenrasierer geschenkt und der Vater zeigt ihnen maximal die Steckdose. Firma Wacker in Solingen stellt seit mehr als 75 Jahren hochwertige Rasiermesser her und die Führungsriege des Familienbetriebs hat mir im Interview ausführlich geantwortet.
Rasiermessertradition in der 4. Generation
Das Rasiermesser hatte im 19. Jahrhundert die weiteste Verbreitung und wurde Anfang des 20. Jahrhundert vom Rasierhobel und später vom Trockenrasierer fast vollständig verdrängt. Heute im 21. Jahrhundert findet der Mensch in vielen Bereichen wieder zurück zum Ursprünglichen und Traditionellen. Wir beginnen wieder Dinge bewusster zu tun und lernen, dass nicht alles, was praktisch und schnell ist, auch besser für uns ist.
Schon lange wissen Männer, trotz modernen Alternativen, die Qualiät und das Erlebnis einer Messerrasur zu schätzen. Um dieses heute immer größer werdende Klientel mit qualitativen Rasiermessern zu versorgen fertigt unter anderen Firma Wacker in Solingen seit 1940 Rasiermesser, in vierter Generation nach traditionellen Methoden.
Die Geschichte
Bereits der Urgroßvater des Juniorchef Johannes Wacker fertigte Rasiermesser. Damal noch nicht unter dem Namen Wacker, aber sein Sohn gründete bereits 1940 das Unternehmen. Sein Sohn, Heribert Wacker erlernte das Handwerk des Rasiermesserschleifens ab 1953 bei Fa. Dorko in Solingen, bevor er in den väterlichen Betrieb einstieg um ihn später zu übernehmen. Die Ausbildung zum Rasiermesserschleifer war die einzige 5-jährige Ausbildung. 2006 stieg mit Johannes Wacker die vierte Generation in den väterlichen Betrieb ein und wurde von seinem Vater zum Rasiermesserschleifer ausgebildet.
Das Interview
Im Interview mit Johannes und Heribert Wacker wird klar, dass hier Profis am Werk sind, die die Fertigung der Rasiermesser mit Leidenschaft und Liebe zum Beruf ausüben und Rasiermesser schaffen, die eine Anschaffung fürs Leben sind.
Hier das Interview mit Heribert Wacker, dem Vater und Johannes Wacker, dem Sohn, der das Unternehmen weiterführen wird:
mein-vollbart.de: Die Nassrasur liegt heute ja wieder voll im Trend. Männer besinnen sich der Vorteile der traditionellen Methode und zelebrieren die Rasur viel mehr, als mit einem simplen Trockenrasierer. Merken Sie, dass es einen Trend gibt und der Absatz an Rasiermessern steigt, oder setzen Sie auch auf Stammkundschaft und verkaufen konstante Mengen?
Johannes Wacker: Der Trend zur „bewussten“ und damit auch zur zelebrierten Rasur ist schon länger existent. Wir haben den Trend vor 9-10 Jahren in seinen zarten Anfängen wahrgenommen. Zu diesem Zeitpunkt gab es weltweit nur eine Handvoll Hersteller von Rasiermessern. Durch konstante Qualität, innovative Designs aber vor allem durch die traditionelle Bearbeitung konnten wir viele neue Kunden bzw. Anhänger für die Nassrasur mit dem Messer gewinnen. Dabei musste stets auch viel Wissen wiedervermittelt werden, da das Wissen um die Benutzung eines Rasiermessers nicht mehr vom Vater zum Sohn weitergegeben wird. Unter diesen neuen Kunden gibt es dann auch viele „Wiederhohlungstäter“, die sich gerne weitere Rasiermesser für ihre tägliche Rasur zulegen.
mein-volbart.de: Sie fertigen alle Messer nach alten, bewährten Methode in Handarbeit. Wo liegen die Vorteile gegenüber einer maschinellen Produktion?
Heribert Wacker: Wir fertigen alle unsere Rasiermesser von Hand nach alter „Solinger“ Tradition als vollhohl geschliffene Rasiermesser, bzw nach Maß ¼ hohl oder Keilschliff. Unserer Meinung nach kann man ein solches Rasiermesser nur von Hand und mit ständiger Kontrolle und vor allem mit viel Erfahrung herstellen. Ich blicke auf nun 65 Jahre Arbeitserfahrung am Rasiermesser zurück, und denke mir sagen zu können, dass moderne Fertigungsverfahren nicht die notwendige Handarbeit bei der Erstellung eines Rasiermessers ersetzen können.
mein-vollbart.de: Viele Männer stehen vor der Entscheidung sich zum ersten Mal ein Rasiermesser anzuschaffen. Liest man auf Ihrer Website ist man erschlagen von der Vielfalt der angebotenen Messer und sicherlich auch etwas überfordert mit den verschiedenen Angaben. Beginnen wir einmal mit dem einfachen Teil. Ihre Rasiermesser haben ganz unterschiedliche Griffschalen, bzw. Hefte aus verschiedenen Materialien. Geht es bei der Entscheidung für das Heft nur um optische Gesichtspunkte, oder gibt es andere Aspekte, die man beachten sollte?
Johannes Wacker: Bei der Heftwahl geht es in erster Linie um optische Gesichtspunkte. Wir haben uns bei unseren Rasiermesser für Horn als Material der Wahl entschieden, da es sich durch seine Widerstandsfähigkeit sowie Unfähigkeit Feuchtigkeit aufzunehmen, als optimale Materialkomponente für das Rasiermesser behauptet hat.
mein-vollbart.de: Betrachtet man auf Ihrer Website die Rasiermesser aus Ihrem Sortiment, dann finden sich neben den Namen, die die Messer tragen und der Artikelnummer auch noch zwei Angaben mit denen man als Laie wahrscheinlich wenig anzufangen weiß. Sehen wir uns einmal die erste Angabe an. Ich lese z.B. 6/8“. Welche Größe wird hier angegeben und warum gibt es unterschiedliche Größen von Rasiermessern?
Heribert Wacker: Die Bezeichnung 6/8“ ist die Größenbezeichnung eines Rasiermessers. Gemessen wird dabei die Breite der Klinge vom Rücken bis zur Schneide und das im Zollmaß (25,4cm). Rasiermesser gibt es in den regulären Größen von 2/8“ bis 8/8“. Wir bieten jedoch auch spezielle Serien größerer Rasiermesser an. Aktuell ist unser größtes Rasiermesser ein 11/8“, das wir auch liebevoll unsere „Bart-Axt“ nennen, da es sich dabei um ein wirklich wuchtiges Messer handelt.
Die verschiedenen Größen erfüllen verschiedene Aufgaben. So ist z.B. ein kleineres Messer der Größe 2/8“ bis 4/8“ eine sehr guter „Ausrasierer“. Das bedeutet ein Messer für den 2. Durchgang, bei dem gegen die Haarwuchsrichtung rasiert und das Barthaar sehr tief abrasiert wird. Ebenfalls können damit sehr gut der Bereich der Oberlippe sowie Konturen-Rasuren erledigt werden. Die Standardgrößen sind Rasiermesser der Größe 5/8“ und 6/8“. Diese Messer stellen die beste Synthese aus Gewicht und Führbarkeit dar. Ebenso sind es die geeigneten Größen um die Rasur mit dem Messer zu erlernen.
Soll ein Vollbart entfernt werden, so wird dies mit kleinen und normal großen Messer eine sehr mühselige, vor allem aber auch unangenehme Erfahrung. Hier spielen Messer der Größe 7/8“ und 8/8“ (und größer) ihr volles Potenzial aus. Ein starker Vollbart kann mit einen solchen Messer mühelos entfernt werden. Danach erfolgt der 2. Durchgang.
mein-vollbart.de: Die zweite Angabe scheint den Schliff zu beschreiben. Ich lese Angaben, wie „¼ Hohl“, „1/1 Hohl“, oder Keilschliff. Was bedeutet das und welche Auswirkungen hat der Schliff auf Rasur und Handhabung?
Heribert Wacker: Die Art des Schliffes, sprich wie „hohl“ das Messer geschliffen wurde, entscheidet über die Flexibilität die eine Klinge besitzt. Dabei unterscheidet man von sehr flexibel bis steif in folgenden Einteilungen:
extra hohl → vollhohl (1/1) → halbhohl (½) → viertelhohl (¼) → 1/8 hohl → Keilschliff
In Kombination mit der Güte der Schärfe eines Messers entscheidet die Art des Schliffs über die „Sanftheit“ der Rasur. Ein extra hohl geschliffenes Messer wird immer eine sanftere Rasur erzeugen wie ein ¼ hohles oder Keilschliff Rasiermesser. Voraussetzung ist, dass die Hohlung auch zu meinem Bart passt. Während wir Mitteleuropäischen Männer in aller Regel mit einem vollhohlen Messer sehr gut zurechtkommen, benötigen südeuropäische Herren durchaus eher ein ¼ hohles bis Keilschliff Rasiermesser.
mein-vollbart.de: Dann scheint es noch Unterschiede im Kopf, also in der Formgebung des Endes des Rasiermessers zu geben. Welche Rolle spielt es, ob ich einen runden, einen geraden, einen spanischen, oder einen französischen Kopf wähle?
Johannes Wacker: Bei der Kopfform stellt die persönliche Vorliebe das Hauptkriterium dar. Jedoch gibt es hier auch Kopfformen die sich speziel für das Konturen rasieren besonders gut eignen.
Hier möchte ich als Beispiel den französichen oder spanischen, bzw. bei unseren Sortiment auch das „Chevalier“ Rasiermesser anführen. Mit diesen Messern können Sie Ihre Kontur optimal erzeugen, ohne dass Ihnen „zuviel“ Messer im Weg ist.
mein-vollbart.de: Sie geben an, dass die Lebensdauer Ihrer Rasiermesser, bei ordentlichen Behandlung, zwei bis drei Generationen beträgt. Rechnet man das etwa hoch, dann sind das zwischen 80 und 120 Jahren, also etwa 30.000 Rasuren. Ist das tatsächlich realistisch und was müssen mein Sohn und ich tun, damit mein Enkel sich noch mit meinem Rasiermesser rasieren kann?
Heribert Wacker: Ein Rasiermesser stellt ein enorm nachhaltiges Produkt dar. Eine solche Lebensdauer ist bei sachgemäßem Gebrauch durchaus realistisch. Ich habe 3/8“ Rasiermesser gesehen, die ursprünglich mal 6/8“ oder 7/8“ Rasiermesser waren. Diese wurden im Laufe der Zeit entsprechend oft geschliffen und zeugen von vielen tausenden Rasuren.
Wir unterteilen die Lebensdauer unserer Rasiermesser in aufeinanderfolgende Zyklen.
Ein Lebenszyklus entspricht je nach Beschaffenheit des Bartes zwischen 500-1000 Rasuren.
Beispiel 1. Lebenszyklus: Der Kunde erhält sein Rasiermesser und beginnt mit der Nassrasur. Das Messer hat eine gute Schärfe und muss nur vor jeder Rasur geledert werden. Dabei wird vor jeder Rasur der Grat wieder aufgerichtet (auch beim Rasiermesser ist der kleinste schneidende Teil ein Grat, wenn auch nur mikroskopisch sichtbar). Alle 40-50 Rasuren kann es nötig werden, dass Rasiermesser auf einem pastierten Riemen zu polieren. Dabei wird der Grat leicht nachgeschärft. Alle 200-250 Rasuren kann es notwendig sein, dem Rasiermesser ein paar „Schübe“ auf dem Stein zu geben. Hierbei wird dann die entsprechende Schärfe wieder hergestellt. Das Schärfen eines Rasiermesser ist ein komplexer Vorgang, und Bedarf einiges an Erfahrung sowie auch Ausrüstung. Daher bieten wir unseren Kunden diesen Service mit an. Nach 500-1000, teilweise auch deutlich später mit bis zu 2500 Rasuren muss das Messer dann zurück zum Hersteller. Dort wird es dann erneut dünn ausgeschliffen, damit es seine Schärfe auch wieder dauerhaft halten kann. Danach beginnt der 2. Lebenszyklus usw. Diese Werte gelten natürlich nur bei sachgemäßen Gebrauch und einer nicht übermäßigen Schärfung auf dem Stein.
mein-vollbart.de: Nicht jeder lässt seinem Rasiermesser die Behandlung zuteilwerden, die es bräuchte, oder verdient hätte. Wenn ich ein altes Rasiermesser finde, oder kaufe, worauf muss man unbedingt achten, oder auf welche Teile und deren Zustand sollte ich besonders achten um zu entscheiden, ob man das Messer mit einem Schliff wieder verwenden kann?
Johannes Wacker: Je nach eigener Befähigung bzw. Ausrüstung sollte das Rasiermesser optimaler weise über eine homogene Schneide verfügen. D.h., es sind keine Ausbrüche in der Klinge vorhanden. Ein Heft ist schnell erneuert, eine Klinge nachschleifen, bzw. in Form bringen ist erheblich mehr Arbeit.
mein-vollbart.de: In Ihrem Sortiment finden sich auch Wochensätze in verschiedenen Breiten. Die Messer in der eleganten Schatulle sind mit dem Wochentag beschriftet. In der Artikelbeschreibung führen Sie an, dass es dadurch möglich ist, jedem Rasiermesser eine Ruhezeit zu lassen. Was hat es mit diese Ruhezeit auf sich? Stahl ist doch ein totes Material, oder irre ich mich da?
Heribert Wacker: Man vergleicht ein Barthaar von der Beschaffenheit her mit einem Kupferdraht gleicher Stärke. Bei einer Rasur werden bedingt durch den feinen Querschnitt eines Rasiermesser die Moleküle des Stahls in Schwingung gebracht. Um wieder die Maximale Schärfe eines Messers zu erhalten ist eine Ruhezeit von 48 Stunden ratsam. Natürlich schneidet das Messer auch innerhalb dieser Zeit, aber halt nicht optimal.
Ein Wochensatz stellt die Hohe Kunst der „Haarspalterei“ dar und ist nicht nur ein Werkzeug sondern auch ein Kunstobjekt, das nicht selten speziell auch nach den Wünschen des Kunden angefertigt wurde.
mein-vollbart.de: Herzlichen Dank für das Interview!
Heribert Wacker: Ich danke Ihnen.
Opa´s Rasiermesser
Das Rasiermesser kann bei der richtigen Pflege auch ein wertvolles und persönliches Erbstück werden. Es hält über Generationen und stellt damit eine nachhaltige Investition dar. Während leider viel vom Nachlass des Vaters wenig Wert für den Sohn hat, so ist das Rasiermesser auch für die nächste und oft auch für die übernächste Generation nicht nur ein Erinnerungsstück, sondern kann ohne Einschränkung in Verwendung bleiben. Vielleicht ist das schon Grund genug, sich für die Anschaffung eines Rasiermessers zu entscheiden.
Mehr Informationen
Weitere Informationen zu allen Wacker-Rasiermessern, Bestellmöglichkeit, die Kontaktdaten und auch eine Reihe nützlicher Tipps für die Wartung und Pflege von Rasiermessern finden sich auf der Website der Fa. Wacker. http://www.wacker-rasiermesser.de/